Es war am zweiten Tag unseres Aufenthaltes in Roy, als ein Mädchen, von zwei Freundinnen begleitet, in der Schule erschien. Wir konnten es nicht sofort erkennen, aber etwas war anders mit ihr. Wie wir von einem UWS-Lehrer erfuhren, hatte das Mädchen Probleme mit ihren Augen. Sie konnte nur im Dunkeln in der Nacht sehen, am Tag nicht, denn sie war völlig geblendet. Ihre Pupille schützte sie nicht.
So saß sie wild blinzelnd und augenverdrehend, gut beschützt von ihren Freundinnen in unserem Kunstklassenzimmer, während alle anderen malten. Dann kam Theresa auf die Idee, ihr eine Sonnenbrille zu geben. Der Moment war unglaublich.
Als sie die Sonnenbrille aufgesetzt hatte, konnte sie tatsächlich etwas sehen. Die Freundinnen quietschten erstaunt und freudig auf. Das Mädchen schaute herum, völlig fasziniert davon, dass sie auf einmal etwas sehen konnte. Die Kunststunde verbrachte sie hauptsächlich damit, neugierig und etwas verwundert ihre Hände und Umgebung zu betrachten.
Sie konnte immer noch nicht 100 Prozent sehen. Dazu bräuchte sie medizinische Hilfe, die es in dieser Region nicht gibt. Doch die Sonnenbrille war für dieses Mädchen wie ein Wunder. Ihre Augen waren tagsüber so viel besser.
Es versetzte mir einen kleinen Stich ins Herz, als sie am Nachmittag zu unserer Theateraufführung erschien. Mit der großen Sonnenbrille bahnte sie sich einen Weg durch die Schüler. Sie wurde wieder von ihren Freundinnen begleitet. Alle fingen an, über sie zu lachen. Einen Moment war ich verdutzt. Doch natürlich, eine Sonnenbrille ist etwas, was die Kinder im Dorf nicht kennen.
Eine Geschichte aus der UWS-Schule Roy
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- Date 05 Jul 2021
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